Knatternde Leidenschaft auf drei Rädern

Die Zwei-Takt-Freunde aus Wallhöfen teilen eine knatternde Leidenschaft: Sie sammeln motorisierte Krankenfahrstühle. Die sogenannten Duos aus der ehemaligen DDR sorgen vielerorts für Aufsehen.
Wallhöfen. Der ehemalige DDR-Bürger Otto Weinrich hatte eine „Simson Krause Duo“ im Jahre 1972 zu Weihnachten bekommen. Gleich nach den Feiertagen hat er das kuriose Versehrtenfahrzeug zugelassen, um von da an ständig auf den nahen Berg zu fahren. „West-Nachrichten hören“, war sein erklärte Ziel. Gleich nach dem Ende der Nachrichten sei er wieder nach Hause gefahren. Nur dazu habe er den Krankenfahrstuhl gebraucht.

Otto Weinrichs geschichtsträchtiges Gefährt gehört heute Jürgen Weber aus Axstedt. Die Story mit den Nachrichten hat ihm der Vorbesitzer erzählt. 15 000 Kilometer hat das Dreirad mit dieser Vorgeschichte erst runter. Weber ist gleich nach der Grenzöffnung mit seinem Reisemobil rüber gefahren. „Dann sah ich das Ding im Garten stehen und habe solange geklingelt, bis jemand aufmachte. 400 Deutsche Mark waren ein guter Preis damals, heute wäre das ein Schnäppchen.“

Der Preis für die Versehrtenfahrzeuge der DDR ist gehörig gestiegen. Heute beginnen die Preise für eine Duo 4/1 bei rund 800 Euro. Für Webers Schmuckstück wären wohl zweitausend Euro fällig, schätzt er.

Helmut Koslowski ist nach der Wende auch in die ehemalige DDR gereist, um eine Duo zu kaufen. Er hatte durch seine Cousine Kontakt nach drüben. Schon lange wollte er ein solches Gefährt besitzen. Doch das war nur für Gehbehinderte in der DDR möglich. Nach der Wende nutzte er deshalb die Gelegenheit. Irgendwann hatte er dann sieben Stück besessen, erinnert sich Koslowski. Heute besitzt er noch zwei. Eine Maschine hat er an Peter Mrozinski verkauft, der von Anfang an begeistert von den Fahrzeugen war. Rund 55 Stundenkilometer laufen die Dreiräder. Aber eigentlich sei schon bei 45 Stundenkilometer Schluss, sagt Mrozinski. „Wegen der Lautstärke.“

Repariert wird an den Maschinen alles selbst. „Man braucht Geduld, die Dinger sind eigensinnig. Federringe und selbstsichernde Schrauben sind zwingend erforderlich, sonst lösen die sich und müssen nachgezogen werden.“

Die Duo-Freunde aus Wallhöfen haben sich zusammen geschlossen. „Zwei-Takt-Freunde Wallhöfen“ nennen sie sich. Auch Andreas Krämer, Cort Puvogel, Edu Meyer, Andreas Mrozinski und Ilonka Weber gehören dazu. Einmal im Monat treffen sie sich; manchmal machen sie Ausfahrten. Sie gehören mit ihren Versehrtenfahrzeugen beim Wallhöfener Erntefestumzug bereits zu den Stammgästen. Die skurrilen Fahrzeuge sind baugleich mit dem Moped „Schwalbe“. Zum jeweiligen Fahrzeug gehört ein Winter- und Sommerverdeck. Die Zwei-Takt-Freunde allerdings fahren zu 99 Prozent offen. Gegenüber den Mopeds ist ein Vorteil, dass die Krankenfahrstühle ohne Helm gefahren werden dürfen.

Die Clubmitglieder sind rüstig, obwohl sie auf Versehrtenfahrzeuge, die sich gänzlich per Hand bedienen lassen, unterwegs sind. Sie behaupten, dass die Fahrzeuge für ihren eigentlichen Zweck gar nicht zu gebrauchen sind. Das sichere Fahren muss nämlich erlernt werden. Duos seien schwer in Gang zu bringen und auf Kurs zu halten.

Ungeübte liegen besonders in Rechtskurven schnell auf der Seite. Das soll übrigens auch zu DDR-Zeiten bei Versehrten öfter vorgekommen sein. Als die ersten Duos als Einsitzer herauskamen sei das ein echtes Problem gewesen. „Daraufhin wurde er verbreitert und fiel nicht mehr ganz so oft um.“ Kurz vor der Wende kam das Nachfolgemodell, die Duo 4/2 mit verbesserten Motor und Elektro-Starter, auf den Markt. Hiervon gibt es nur Wenige, denn mit dem Fall der Grenze wurde der Bau der Versehrtenfahrzeuge eingestellt.

Für die Duo-Freunde stehen die Gefährte hoch im Kurs: Sie hegen und pflegen ihre Maschinen. Deshalb komme auch ein Rennen, wie es alljährlich im niedersächsischen Emsen ausgetragen wird, für sie nicht in Frage. Für Ausfahrten und den Besuch von Treffen ist bei einer Entfernung von 79 Kilometern Schluss. Weitere Wege nehmen sie nur für den Kauf eines Duos auf sich. Zweimal haben sie eine Duo aus Polen geholt, berichten sie. „Manches Mal habe ich schon gedacht, ob es nicht einfach besser ist, das Ding gleich auf den Schrott zu schieben“, sagt Koslowski. Aber das komme natürlich nicht in Frage.

Wenn die Zwei-Takt-Freunde bei Ausfahrten eine Rast einlegen oder bei Veranstaltungen, kommen Kinder angelaufen und wollen mitfahren. Und nicht allein Kinder seien begeistert, betont Weber. „Bei der Publica 2010 habe ich mit meiner Duo Werbung für den Sozialverband gemacht. Das haben auch der Landrat Mielke und der Bürgermeister Wagener gesehen und sind einmal über das Gelände gefahren. Die Leute haben sich die Bäuche vor Lachen gehalten.“

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